ERWIN
Ich saß mal wieder
am Tresen,
nichts neues für mich,
nichts neues für jeden,
der mich kennt.
Egal,
also ich saß da am
Tresen
und eigentlich war nur noch
Erwin da,
Töpper – Erwin,
weil er Töpfermeister
war
und jetzt seine Rente versäuft.
Jeden Tag,
Bols doppelt
mit kleinem Bier.
Erwin will immer nach Hause
gehen,
nicht ohne ein Volkslied
auf den Lippen:
„Hoch auf dem gelben Wagen,
sitz‘ ich beim Schwager vorn.“
Töpper – Erwin also,
die dicksten,
stinkendsten,
ungenießbarsten Zigarren
rauchend,
zieht dich auch beim würfeln
über den Tisch.
Erwin ist eigentlich immer
betrunken,
wenn man ihn hier sieht,
doch manchmal könnte
man denken,
daß er uns auf die
Probe stellt.
Erwin humpelt,
doch fällt nie!
Trotz Alkohol!
Trotz seiner 75 Jahre!
Trotz danke!
Wir sind alle schon reichlich
daneben,
wenn sich Erwin so verabschiedet:
„Leute,
die Lage ist ernst,
aber nicht hoffnungslos!“
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EIN
WUNSCH
Da stand er,
ein Typ in den Vierzigern,
eine Hand auf dem Tresen
zur Faust geballt,
die andere trotzig
in die Hüfte gestemmt.
„Ich lasse mir meine Träume
nicht stehlen!“
Er fing an zu weinen,
stampfte mit dem Fuß
auf.
Unzusammenhängend
war die Rede von verlorenem
Job,
weggelaufenen Frauen
und Herzbeschwerden,
Alkohol und Tabletten,
Wohnungssuche
und Angst vor grauen Wänden.
Aber –
„Ich lasse mir meine Träume
nicht stehlen!“
Ganz leise Träume
vom Grün einer Landschaft,
einem kleinen Dach
über den zu großen
Kopf,
irgendwo,
weg von der Hektik,
vom verbraucht werden,
von Pflichten
und der Planung des Lebens,
weg von dem,
was ein so einmaliges Leben
schnell und anonym zerstört,
hin zur bescheidenen Möglichkeit,
so etwas wie Selbstbestimmung
zu üben,
hin zu einer leichten Alterslosigkeit,
zur Zeitlupe selbstverständlicher
Momente,
beobachten von Ebbe und
Flut,
Ruhe und Lärm,
nutzlosem Streit
und sinnvollem Frieden,
empfinden von Leidenschaft,
Zärtlichkeit und Liebe.
Eine kleine Bucht
gefüllt mit Leben,
überschaubar
von einem Haus
auf dem Hang,
umgeben von Wärme,
gestützt von Balken,
die dem Sturm standhalten.
„Hallo, Herr Traumverkäufer,
wir lassen uns unsere Träume
nicht stehlen“,
und wir stehen da,
eine Hand auf dem Tresen
zur Faust geballt,
die andere trotzig
in die Hüfte gestemmt.
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Reinhardt
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