DIESE
HOTELS
Eigentlich mag ich Hotels.
Ich meine nicht die Pauschaltouristenhotels auf Mallorca oder die, wo die
Leute sich sonst den Pelz rot färben lassen, nein, ich meine die Hotels
für eine Nacht, die wirklich nur den Vorzug haben, eine trockene Nacht
zu haben, wo man gegen 23 Uhr ankommt, auf einem von leeren Cola- und Bierflaschen
verklebten Tresen an der Rezeption den Klingelknopf sucht und dann ein
Nachtportier heranschlurft, der keine Fragen stellt, sondern nur unwillig
grunzt, wenn er dir den Schlüssel auf die Platte wirft. Und dann die
Überraschung, wenn du die Zimmertür aufmachst und feststellst,
dass neben Bett, Tisch und Stuhl noch ein Handtuch am Waschbecken hängt
und die Jalousie am Fenster zur Straße funktioniert. Perfekt wird
das ganze, wenn das Klo noch auf demselben Stockwerk liegt. Ja, Freunde,
das sind die Hotels, die ich mag, denn nachts erzählen die Zimmer
Geschichten, und man trifft an einem Tag mehr interessante Leute als in
einem Monat in irgendeiner Nobelherberge. Natürlich gehört am
Morgen noch ein Frühstück dazu, bestehend aus zwei Brötchen
vom Vortag mit in Staniol eingepackten Butterstücken, die knallhart
sind, und dem Rest Orangenmarmelade mit Streifen drin, die die Kinder stehengelassen
haben, und einem Pott Kaffee,in dem nach der Hälfte der Kaffeesatz
zu sehen ist. Das sind die Hotels, in denen man Gefahr läuft, nicht
gesund herauszukommen, wenn man mit Kreditkarte oder Scheck bezahlen will.
Das sind die Hotels, die Musiker und Dichter auf Tournee zu romantischen
Songs und verklärten Versen inspirieren. Das sind Hotels, die es kaum
noch gibt, weil sie, wie unbekannte Musiker oder Dichter, kaum eine Chance
haben.
Das sind die Hotels, die
ich vermisse.
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CHARLIE
WARTET
Charlie wartete. Er wartete
in der Eckkneipe, die ihm der Typ mit dem schwarzen, fast fußknöchellangen
Mantel gezeigt hatte. Er hatte die Aussicht auf einen Schnaps und ein Bier,
das er nicht bezahlen musste. Außerdem war die Einladung oder das,
was er dafür hielt, auch eine Erlösung von der Kälte, zumindest
für eine halbe, wenn es gut laufen würde, für eineinhalb
Stunden. Wenn er ganz besonders viel Glück haben würde, könnte
er Billard spielen. Das hätte zur Folge, dass die Wärme noch
länger dauern würde, und wenn der Typ mit dem Mantel nur halb
so gut spielte wie er, könnte man auch noch ein paar Cent gewinnen,
sollte der Bluff mit dem hinter dem Tresen deponierten Portemonnaie klappen.
Nach dem dritten Glas lauwarmen
Wassers, das Richie, der Wirt, mit einem teilnahmslos mitleidigen Blick
vor ihn hinstellte, schlug Charlie die Augenlider nieder und wollte anfangen
zu singen, ein Lied, das ihm sein Vater vor langer Zeit beigebracht hatte,
doch er stand auf, wohl wissend, dass ein Chor von Verlierern seinen Gesang
begleiten würde.
Es war nicht der Schnaps
oder das Bier, das ihm niemand ausgab, es war auch nicht der Moment der
Gewissheit, in dieser Kneipe nur geduldet zu sein.
Nein, es war die Tatsache,
dass Charlie umsonst gewartet hatte.
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SOMMERBUNT
Die Sonnenblume auf dem kleinen
Beet,
das du in unserem Garten
angelegt hast,
blüht jetzt,
und als ich dir erzählt
habe,
dass sie gelb-orange ist,
hast du festgestellt,
dass sie erst gestern herausgekommen
sein muss,
weil du vorgestern noch
nichts von ihr gesehen hattest.
Das ist wohl wahr,
du hast vier Monate und
fast zwei Meter
auf die Blüte gewartet
und plötzlich, unbemerkt,
war sie da.
Dein Lächeln war für
Sekunden ungläubig
und dann sommerbunt.
Ich dachte mal wieder:
Ich liebe dich.
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Copyright für alle Texte by Jörg
Reinhardt
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