Harrods
Wenn man einer Frau, die
das erste Mal London besucht, die Stadt zeigen will,
kann man einiges auslassen,
das Wachsfigurenkabinett etwa, das Innere des Tower oder Greenwich, aber
nie Harrods. Schon seit der Eröffnung ein Wallfahrtsort, ein fester
Bestandteil im Besuchsprogramm, für jeden zugänglich, für
die meisten unerschwinglich. Das ist wiederum eine der geschicktesten Marketingstrategien,
die man sich nur ausdenken kann: Zeige dem gewöhnlichen Volk, was
es sich nicht leisten kann, aber verkaufe ihm kleine Appetithäppchen,
die es nicht braucht, zu überhöhten Preisen und lass es sich
so in einer Welt bewegen, die nicht die seine ist. Jeder Zweite kommt aus
diesem Konsumbunker mit dem Harrods-Schriftzug auf einer Glanzpapiertasche,
in der sich irgendein Requisit befindet, das zu nichts weiter nutze ist,
als in eben dieser Tasche zu verschwinden. Mit dem eleganten, unaufdringlichen
Logo eines Kaufhauses, das keine Marke, sondern eine Lebenseinstellung
ist.
Meine Frau, keinesfall ein
materialistisches Wesen, wollte dort ebenfalls Station machen, „wenigstens
mal reingehen“, wie es im Tourismusdeutsch heißt und ich hatte unser
Besichtigungsprogramm so sinnvoll zusammengestrichen, dass eine Stunde,
denn länger wollte sie auf keinen Fall dort verweilen, durchaus realistisch
war. Allerdings wollte ich selbst nicht den Oh’s und Ah’s hunderter Touristen
ausgesetzt werden, die beim Anblick der Preisschildchen von Augenlidzucken
bis Dauerkopfschütteln diverse Facetten von Körperregungen zeigen,
die durch extremes Unverständnis ausgelöst werden.
Wir verabredeten uns also
auf eine Stunde später am U-Bahnausgang (Harrods hat einen eigenen).
Ich entließ meine Frau ohne Angst, denn sie würde dort bestimmt
nichts kaufen, und wenn sie doch etwas finden würde, was ihr richtig
gefällt, würde sie es nicht bezahlen können. Ich suchte
mir in der Nähe ein Cafe, ließ mir einen Espresso schmecken
und machte mich nach einer guten halben Stunde zurück auf den Weg
zum Kaufhaus. Da noch etwas Zeit war und es mittlerweile auch angefangen
hatte zu regnen, beschloss ich einen Rundgang um das Gebäude zu machen,
dessen Balustraden mich vor dem Regen schützten.
Die letzte von vier Geraden
mündete in die kleine Straße, die zu unserem Treffpunkt führte,
und hier war es sichtbar: Die ganze Symbolik der nach außen getragenen,
schreienden, hochpeinlichen Macht von Kapital. Das, was der normal arbeitende
Durchschnittsverdiener als „Geldhaben“ bezeichnet, in Form einer der teuersten
Blechansammlungen, die man sich auf engstem Raum vorstellen kann. Diese
kleine Gasse war vollgestellt mit Luxuskarossen, worin sich ein einzelner
Mercedes 500 schon fast als Proletenschleuder abhob. In allen Wagen saßen
Chauffeure, teils in Uniform, aber auch nur leger und muskelbepackt, alle
jedoch optische Signale aussendend, arrogant und unmissverständlich:
„Hier bin ich, hier ist das Auto, wehe, es kommt jemand näher als
eine halben Meter.“
Die restlichen zehn Minuten
bis zum Treffen mit meiner Frau verbrachte ich vor einem Schaufenster mit
Badezimmerutensilien. Ein kurzer Blick genügte, um eine Seifendose
aus Blech für 100 Euro als billigsten Artikel auszumachen.
Auf der kleinen Straße
spielten sich viel interessantere Szenen ab, denn die
Fluktuation der an- und
abfahrenden Luxuskarossen war beträchtlich, und um dieser Situation
Herr zu werden, waren zwei Angestellte damit beschäftigt, den fahrenden
Berufslakaien durch unmissverständlichen Körpereinsatz zentimetergenaue
Fahrrinnen zuzuweisen, die die Autos vor Blechschäden und sie selbst
vor der Entlassung schützen sollten. Aber das war noch nicht alles,
für das die beiden Herren, die sicher schon das Rentenalter erreicht
hatten, zuständig waren.
Ausgestattet mit jeweils
einem riesigen Regenschirm mussten sie die Insassen der Wagen zum zehn
Meter entfernten nächsten Eingang des Kaufhauses geleiten. Wobei sie
selbst natürlich nass wurden, die zwei alten Herren in ihren Kaufhausuniformen,
die im letzten Jahrhundert bestimmt noch eine gewisse Würde ausgestrahlt
haben, heute als Kulisse vor irgendwelchen Sehenswürdigkeiten als
pittoresk bezeichnet würden, hier aber, als Teil eines psychosozialen
Dramas auf offener Straße, fast schon erniedrigend wirkten. Mir gingen
viele Gedanken durch den Kopf, wenn ich immer mal wieder in die angestrengten
Gesichter der beiden schaute. Was sie wohl denken, wenn sie verzogene 12jährige
Mädchen vom Bentley zum Hauseingang mit dem Regenschirm begleiteten,
wenn sie ihnen angestrengt lächelnd einen schönen Tag wünschten,
wenn sie dieselben Mädchen nach einer halben Stunde vom Hauseingang
zum Bentley zurückführten, die Taschen und den Regenschirm halten,
wohl wissend, dass die beiden Kinder gerade in einer halben Stunde mindestens
den Betrag ausgegeben hatten, der ihrem Jahresgehalt entspricht. Was denken
die beiden Männer am Abend, beim Bier oder beim Essen, wenn sie das
den ganzen Tag gemacht haben? Denken sie vielleicht, dass sie die Kaufhausnarren
sind, oder fühlen sie sich wohl, wenn ihnen irgendeine Kamera von
irgendeinem ausländischen Sender in die Nase gehalten wird und sie
genau das sagen müssen, nämlich dass sie sich gut fühlen,
vielleicht auch noch, dass sie stolz sind dort zu arbeiten? Oder denken
sie einfach gar nicht mehr?
Es wurde mir zuwider, dieses
Schauspiel zu beobachten. Ich dachte an zu Hause. Ein seltenes Mal fand
ich etwas Positives am Deutschen, etwas offensichtlich Positives. Der deutsche
Reiche protzt nicht so demonstrativ, so massiv. Er protzt auch, aber oftmals
doch recht versteckt, denn der deutsche Reiche hat mehr Angst, denn der
Durchschnittsdeutsche wird zu schnell neidisch und das schreckt den Reichen.
Deswegen bleiben sie gerne unter sich, die deutschen Reichen.
„Ach“, wird dir die Verkäuferin
von Tesco sagen, die öfter am Tag zu hören bekommt, wie teuer
die Lebensmittel geworden sind, „zu Harrods geht doch kein Engländer.“
Womit sie recht hat, denn nicht jeder Araber, dem ein Stück London
gehört, hat die englische Staatsbürgerschaft.
Wir trafen uns am U-Bahnhof
und rauchten noch eine Zigarette im Schutz des Türeingangs. Meine
Frau war nicht beeindruckt, sie hatte es genau so vorgefunden, wie sie
das erwartet hatte. Ich zeigte ihr noch die Gasse mit den vielen
Luxusautos. Wir sprachen kurz über die Brisanz dieses Ortes, eigentlich
ein sozialer Brennpunkt, eigentlich ein Fass Dynamit, wenn zwei verschiedene
Welten so offen und eng aufeinandertreffen. Dass da noch nichts passiert
ist, wunderte uns, es könnte ja niemand verhindern, aber wer weiß,
vielleicht haben die Kaufhausstrategen im obersten Stockwerk ein eigenes
Abwehrsystem.
Meine Frau und ich verstehen
uns auch deswegen gut, weil wir eine ganz andere Auffassung von Luxus haben.
Viel einfacher, viel billiger, viel besser. Viel reicher.
Es hatte aufgehört zu
regnen und die Sonne kam durch. Wir gaben uns einen Kuss und gingen ins
benachbarte McDonalds um einen Salat zu essen.
zurück
Zwei
Welten
13 ist der, ungefähr,
man kann das heute so schwer
schätzen.
Seine Nikeschuhe sahen wie
zwei Lehmklötze an
den Füßen aus,
die dazu passende Kleidung
dürfte seinen Vater
ein halbes Monatsgehalt gekostet haben.
Die übliche Uniform,
die unter seinesgleichen
Respekt erzeugen soll,
endete am Kopf mit der Kapuze,
die auch bei 30 Grad noch
ins Gesicht gezogen wird.
In der Hand eine Tüte
Pommes.
Wie aus einem Füllhorn
floss ein nicht enden wollender
Strom von Kartoffelstäbchen
in den Mund des Jungen.
Er kaute kaum und wenn doch,
dann mit halb geöffnetem
Mund,
gerade so,
dass ein allzu lautes Schmatzen
vermieden wurde.
So stand er vor einem Verkäufer
und brachte diesen mit für
Unbeteiligte
geheimen Fragen über
einen neuen Computerchip
zur Verzweiflung.
Nachdem er sich einige Male
geringschätzig
über Bits und Bites
geäußert hatte,
verzog er das Gesicht, murmelte
etwas wie:
„Scheißladen“ und
gab seiner
neben ihm stehenden Mutter
zu verstehen,
dass es das nicht mehr bringt,
der Verkäuferfuzzi
uncool ist
und null Peilung hat.
Dann drehte er sich um und
ging.
Die Mutter schien erleichtert,
vielleicht weil es ihr peinlich
war,
vielleicht dachte sie aber
auch ans Geld.
Doch sie sollte sich nicht
zu früh freuen,
denn ihr Mr. Bombastic
war gerade bei den Webcams
angekommen
und hielt Ausschau
nach coolen, kompetenten
Beratern.
Schwer zu finden,
die Verkäufer mit Kapuze.
zurück
In Bodrum
Da ist sie ja, die Kneipe,
die Kneipe, die verbindet, merhaba Achmed, jetzt end-
lich bist du hier in dem
Gewimmel, dem Gewühl am Hafen, inmitten des Treibens und schaust lächelnd
zu mir her, möge Mohammad deinen Schnurrbart segnen, hier in diesem
schönen Land, an diesem schönen, ja, ist es denn noch das Mittelmeer,
hier an diesem Meer, das uns verbindet, den Orient und uns, nicht wahr,
Achmed, mein Freund, vereint im Geiste, mit demselben Schöpfer, hier,
wo sie Silber pfundweise verhökern an verblödete Touristen mit
Sonnenbränden bis kurz vor den dicken Ärschen, die Plastiksandalen
an den Schweißfüßen tragen, aufgequollen, pestend, quatschend
bei jedem Schritt, den sie machen. Achmed, sei er gegrüßt und
bring er mir ein Efes, ganz kalt und einen Raki warm, damit der Durst verschwindet,
denn ich bin gelaufen, gewandert bin ich einmal um die ganze Bucht, gleich
nach dem Frühstück losgelaufen, um noch die Stille zu genießen,
bevor sie jeden Zentimeter des Strandes mit ihrem lauten, unschönen
Musikmüll beschallen, hier, die schöne Bucht vollmüllen,
die Grillen am Zirpen hindern und sie damit töten, eine Grille muss
zirpen oder grillieren, sonst ist sie tot, aber das interessiert die nicht,
das Mörderpack, sie töten, sie töten alles, rundum wird
getötet, der Strand, die Grillen, meine Nerven und prost, mein Freund,
auf dein schönes Land, sei nicht traurig wegen dem verlorenen osmanischen
Reich, du musst nur leben, mit den Touristen hier im Hafen.
Hör nur, wie sie greinen,
wie sich die Stimmchen überschlagen, alles so teuer, alles schlecht
geworden, aber wie, von was soll Achmed leben, mit der Familie da unten
in Anatolien, doch sie kommen alle wieder, sie wollen Kultur und Fotos
von der Kultur, Achmed, sie wollen euch kennen lernen, Kultur und abends
im Hotel Jim Beam und Raki und Olivenspießchen, sie wollen es ken-
nen lernen zu einem fairen
Wechselkurs.
Bring er mir noch ein Efes
und Allah will, dass der Raki ein doppelter wird. Hier im Hafen, im Gewimmel,
hörst du das, ein Sprachgewirr, babylonisch, im Hinterland ist das
besser, da weiß man, was man hat, da laufen die Reisegruppen
getrennt nach Sprachen,
da ist höchstens der Reiseführer ein Pole. Die lernen, um Geld
zu verdienen, keine gebratenen Tauben fliegen denen ins Maul, die nicht
lernen.
Das Efes schmeckt, mein
Freund, vergleichbar gutes Bier gibt es auch in Öster-
reich, gar nicht so weit
weg von hier, ach, wir fliegen nach Wien, Achmed, die Kultur in Wien, kaiserlich-königlich,
sage ich dir, kennst du Schönbrunn, ein Traum, gar nicht weit weg,
sie haben auch Kaffeehäuser dort, keine Frage, keine Frage.
Achmed, der Raki ist alle,
er verdunstet, das passiert mir überall, wo es so warm ist, in Tunesien
verdunstet der Feigenschnaps, warst du schon mal in Tunesien, gar nicht
so weit weg von hier, da gibt es dieselben Touristen, genauso einfältig
wie hier, sie wollen Sonne auf ihre weißen Bäuche, sie wollen
essen, Schnitzel, Hamburger und Spaghetti, kleine Ringe und Kettchen kaufen
sie, Umhänge und kleine Hütchen und Kultur wollen sie auch da
und an den Stränden sind Strandbars mit großen Lautsprechern,
Achmed, wie hier. Nur, dass die da ärmer sind, nein, wirklich, euch
geht es gut, der normale Bauer dort hat nicht so viel, er kann seine Oliven
nicht selber essen, die muss er verkaufen. Du musst nur ins Hinterland
fahren, da lernst du die alle kennen und die freuen sich, wenn da so ein
Bus ins Dorf gebrettert kommt, dann kommen sie alle aus den Häusern
und sind gastfreundlich, kochen Tee für alle und verzichten aufs Abendbrot,
sie ist legendär, die Gastfreundschaft, ganz anders als in den Hotelvierteln
mit dem schnellen Geld wie hier, ihr seid doch auch gastfreundlich, immer
mit einem Lächeln, mein Haus ist dein Haus, überall ist das im
Ausland so, kannst du mir glauben, alle sind sie gastfreundlich bis zum
Verhungern, mein Haus ist dein Haus, überall, nur bei uns nicht. Ich
bin froh, wenn sich irgendein unangemel-
detes Pack wieder verabschiedet
und ich bin auch ehrlich, Achmed, bringt ja nichts, ich tu immer alles,
damit das möglichst schnell geht.
Bring er mir doch noch ein
Efes, ja, aber im Hinterland, da ist alles anders, au-
thentisch, da machen wir
uns nichts vor, da sollte man immer hin, ins Hinter-
land.
Siehst du, Achmed, das gibt’s
jetzt wieder nur hier, im Orient, schau mal, wie sich die Touristen freuen,
wenn der Muezzin zum Gebet ruft. Das ist authen-
tisch, Folklore, für
meinen Geschmack ein wenig laut, aber ist ja auch nicht live, kommt ja
vom Band. Und muss ja sein, Religion, ganz wichtig, der Mensch braucht
doch einen Halt, etwas, an das er glauben kann, wegen der Apokalypse, gleich
hier um die Ecke, man lebt doch mit dem Untergang, da kannst du hin-
gehen, wo du willst, Umwelt,
Krieg, Hunger, Touristen, das ganze Programm,
quel malheur, aber wir haben
sie noch, die Chance durch Glauben. Moslems haben wir ja auch in Deutschland,
alles querbeet, Afrikaner, Asiaten, Australier,
Polynesier, Schweizer, ganz
multikulturell, da kann die Handvoll Nazis gar nichts machen, die gibt’s
doch überall, hier doch auch und in Amerika, das kriegt man doch in
den Griff, Gesetze, da müssen Gesetze greifen, geht doch nicht, du
würdest mich doch jetzt auch vor Nazis beschützen, wenn die hier
jetzt reinkommen würden. Zivilcourage, das ist es, überall, dem
braunen Gesocks keine Chance, hat schon mein Großvater gesagt und,
Achmed, der, der war im Widerstand, knallhart, einwandfrei.
Jetzt rauchen wir erstmal
eine Zigarette, Achmed, ja, und einen doppelten Raki, nein zwei, wir trinken
auf die multikulturelle Gesellschaft, wer sonst, wenn nicht wir, in dieser
schönen Bucht am Meer in diesem prächtigen Land, prächtig,
ach, hier gibt es so viele Hunde in der Bucht, wo kommen die her, werden
die alle satt, ich meine, bei uns haben die alle eine Steuermarke und werden
alle satt, keiner zahlt Steuern für einen Hund, der nicht satt wird,
macht ja keinen Sinn, aber hier? Ich war mal in Portugal, auch am Meer,
da gab es viele Katzen, mehr als hier Hunde. In England haben sie auch
viele Hunde, wenn du da allergisch bist oder Hundehasser, dann lassen die
dich gar nicht erst rein, da gilt ein
Hundeleben noch was, wie
in Indien mit den Kühen. Die Queen, weißt du, die hat ja auch
so hochamtliche Hunde, das sind die einzigen, die im Palast auf den Hof
scheißen dürfen, das dürfen noch nicht mal die Pferde von
der Wache.
Ach, Achmed, bring er noch
ein kühles Efes, wir könnten wirklich eine Reise machen, nach
Istanbul, dann nach Wien, Schönbrunn gucken und in Paris zum Moulin
Rouge, die Frauen dort, ich sage dir, eine schöne Reise wäre
das, du könntest Pernod trinken, schmeckt wie Raki, ach ja, bist du
nochmal so nett?
Aber schöne Frauen
habt ihr hier ja auch, ich traue mich nur nicht, immer so genau hinzusehen,
da passen doch die Brüder immer auf und unhöflich, nein, unhöflich
will man nicht sein, ich bin Gast hier, ich benehme mich, ich bin nicht
so ein Arsch, der glaubt, wenn er das Geld in der Tasche hat, nee, Achmed,
ich nicht, ich genieße eure Gastwirtschaft, äh, Gastfreundschaft,
nee, Ärger machen ist bei mir nicht, den machen andere, die Pauschaltouristen,
zum Saufen losge-
lassen, die ja, keinen Respekt,
kein Benehmen im fremden Land, sind doch nur zu Gast hier, muß man
sich doch benehmen hier, aber schön sind sie nun schon,
die Frauen, haselnussbraune
Augen, haselnussbraun.
Bring er mir noch einen
Raki, bald müsste ich ein Mittagsschläfchen machen, in dem Lärm
im Hotel oder am Strand, überall gleich laut, alles Plastik, tschigg-
bumm, bumm-tschigg.
Achmed, du musst jetzt aufpassen,
dass du das aufschreibst, richtig, mit den Bieren und den Schnäpsen,
ich will dich nicht bescheißen, hier wird sicher viel beschissen,
mich hat vor einer Woche ein Taxifahrer bescheißen wollen, da habe
ich gesagt, nee, hab‘ ich gesagt, nicht mit mir, geht nicht, aber seitdem
fahr‘ ich Dolmus, ist billiger und die Preise staatlich oder so, nee, das
kann ich nicht ab, bescheißen ist nicht gastfreundlich, Fairness
muß sein bei Angebot und Nach-
frage, ist ja kein Basar
so ein Taxi oder wie das Wetter so beliebig, na nun nicht hier, deswegen
kommen ja alle hierher, wegen dem Wetter, also die Deutschen, die jammern
ja das ganze Jahr, ist denen zu heiß, zu kalt, kann man keinem recht
machen bei uns, die jammern nun mal, das Essen, das Wetter, Preise, Politik,
Wirtschaft, immer geht’s denen schlecht, Profijammerer, sag‘ ich immer,
auf Bestellung können die jammern, der Deutsche hat schon erstmal
Krebs, wenn er Schmerzen vom vielen Fressen hat, so ist das und dann kommen
sie her wegen dem Wetter, dann jammern sie hier, ach, Achmed, du lachst,
kennst sie, die mit verkniffenen Gesichtern und herunterhängenden
Mundwinkeln vom jahrelangen Elendstraining, weißt du eigentlich,
daß des Deutschen liebstes Buch das Sparbuch ist und das zweitliebste
das Beschwerdebuch? Ja, Achmed, das ist so, ist nicht ungerecht, bin doch
selber einer, weiß doch Bescheid, manchmal bin ich ja auch nicht
so gerne ein Deutscher, aber wer kann für den Eisprung seiner Mutter,
bring er mir noch ein Efes und dann geh‘ ich erstmal, ein bisschen essen
und dann ein Nickerchen machen. Was, verstehst du nicht, Nickerchen machen,
schlafen, Siesta, Sünden aus dem Weg gehen, siehst du, das macht ihr
auch, dann prost auf unsere Reise, Paris, Rom, London, wohin wir wollen,
Achmed, wohin wir wollen, alles nach getaner Arbeit, ich geh dann erstmal,
hast ja auch genug zu tun, die ganzen durstigen Touristen, alle da, alle
durstig, ich geh dann mal schlafen, ich komme nachher nochmal rein, Achmed,
wenn du Zeit hast, dann trinken wir einen gemütlichen kleinen Raki.
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