| WEIHNACHTSZEIT
MIT ANSCHLAG In einem privaten Bezahlsender zeigen sie in der Weihnachtszeit jeden Abend drei Weihnachtsfilme. Hintereinander. Nur mit Werbepause. Kitsch und heile Welt am Fließband, 144 Filme insgesamt. Zwischen zwei Filmen schalte ich auf die Nachrichten. In einer mitteldeutschen Stadt gab es einen Anschlag. Ein Auto fuhr auf dem Weihnachtsmarkt in eine Besuchergruppe. Tote und Verletzte. „Alle Jahre wieder“, würde einem Zyniker einfallen, so weit ist es schon. Ich schalte zurück zum Weihnachtsfilm. Sollte mich schämen, tue es nicht, fühle mich nicht wie das letzte Arschloch oder als unsensibler Ignorant. Ich flüchte, bin nicht schuldig, nicht betroffen, habe Mitleid und falle ins Leere. Das ist nicht die Welt, in der ich mich frei fühlen, Verantwortung übernehmen und die Zukunft mitgestalten kann. Ich kann es einfach nicht und tauche in die kleine Kiste mit der Weihnachtswolle ein, die mich wärmt und mich bis zum letzten Herzschlag mit Träumen versorgt. So lange, bis alles verschwunden ist. ©2025, Jörg Reinhardt, Lindow
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